Die Reporterin Janna Karajorgi arbeitet beim
Athener Fernsehkanal Hellas Channel" und ist durch ihre rücksichtslose Art,
mit der sie ihre Storys verfolgt, nicht gerade beliebt. Als sie tot aufgefunden wird,
aufgespießt von einem Metallspieß, genauer gesagt, einem Scheinwerferständer, ist die
Zahl der Verdächtigen nicht gerade klein, in Anbetracht ihrer Feinde, die sie sich allein
schon im Kollegium geschaffen hatte. Der Athener Kommissar Kostas Charitos führt die
Ermittlungen, was so manch einem Verdächtigen gar nicht recht ist ...
Meine Meinung:
Kostas Charitos ist für mich ein neues Sternchen am
Krimifirmament, seit ich den ersten Band dieser noch sehr jungen Krimiserie Hellas
Channel" gelesen habe. Nicht etwa, weil er ein so strahlender, schöner Held wäre.
Wer das von Charitos erwartet, wird bittere Tränen der Enttäuschung vergießen. Nein,
dieses Sternchen strahlt eher etwas schräges aus. Schillert in seinen eigenen, nicht
immer bestens kombinierten Farben. Aber die Kombination ist dennoch absolut stimmig, denn
Charitos ist ein ganzer Mensch: Mit Fehlern behaftet, seine Gedanken nicht immer voller
Wohlwollen für seine Mitmenschen, auch plagen ihn oft Gefühle eher niedriger Natur wie
Sturheit und Bequemlichkeit - er ist ein Stoffel wie er im Buche steht. Auch die
politische Unkorrektheit, die ihm vielmals vorgeworfen wurde, könnte und wollte er wohl
nicht abstreiten. Aber er ist eben auch kein schlechter Mensch, hat zur richtigen Zeit
dann doch immer das Herz am rechten Fleck und kann durchaus gütig, sogar liebenswert
sein. Für seine Leser und seine Tochter alle Mal, aber auch hin und wieder für seine
Kollegen, seine Frau und sonstige natürliche Feinde.
Ob die Hörspiel-Version mit der starken Vorlage mithalten kann,
das wagte ich zu bezweifeln. Denn Petros Markaris Krimis leben nicht vom Plot, sondern von
dem Helden, seinen Gedanken, Eigenheiten und Marotten, sowie der eigenwilligen
Erzählweise Markaris. Der Plot, obwohl gut gelungen, verliert da an Bedeutung. In
Hörspielen ist es aber eben gerade schwierig, Gedanken und Gefühle, Eigenheiten und
Marotten der Figuren einzubringen, so dass ich dieser Produktion skeptisch
gegenüberstand. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Der Westdeutsche Rundfunk hat sich
hier anscheinend ähnliche Gedanken gemacht und den eigensinnigen Charakter Kostas
Charitos - mit dem dieser Krimi lebt und stirbt - erstklassig in Szene gesetzt. Eine sehr
geschickte Entscheidung war auch, die Erzählperspektive der Buchvorlage zu übernehmen.
So wird die Geschichte auch im Hörspiel aus der ICH-Perspektive erzählt. Somit führt
Kostas Charitos mit seinen, ich muss es wiederholen, oft sehr eigenen Gedanken durchs
Geschehen, lässt den Hörer alles mit seinen Augen sehen, mit seinen Ohren hören, mit
seinem verschrobenen Herzen fühlen.
Auch viele, wenn auch leider nicht alle, seiner Angewohnheiten
wurden ins Hörspiel integriert. Der Charakter des Buches wurde genial im Hörspiel
umgesetzt. Für meine Begriffe eine Glanzleistung, wozu die fabelhaften Sprecher ihren
Teil hinzutun. Allen voran Otto Sander, der Kostas Charitos genau die charismatische,
trockene, unbeeindruckte Stimme gibt, die ich schon beim Lesen des Buches exakt so im Ohr
klingen hatte. Wenn diese Stimme die unschlagbar geniale Einleitung spricht, die
glücklicherweise aus dem Buch übernommen wurde, kann man sich der Handlung und dem
eigenwilligen Kommissar schon nicht mehr entziehen.
Das ging wohl auch dem Autor selbst so mit seinem Helden. Dies und
viele andere wissenswerte Details hält das beiliegende Booklet bereit. Der vielseitige
Autor Petros Markaris erzählt darin auch u. a. von seiner Liebe zu Athen, die Stadt mit
Charakter, in der er lebt und sein Held ermittelt. Athen bei Nacht - ein im Booklet
abgedrucktes Foto - überzeugt den Betrachter mühelos von der Schönheit dieser Stadt und
der Handlungsort dieses Hörspiels erhält somit Farbe und Gestalt.
Da bleibt nur zu hoffen, dass sich der Westdeutsche Rundfunk bald
an die Produktion eines Hörspiels von Nachtfalter" - dem zweiten Band dieser
Krimiserie - macht und Der Audio Verlag dazu ein ebenso liebevoll gestaltetes
Hörbuch auf den Markt bringt, wie diesen ersten Krimi der Reihe.
Hier kann ich das Hörspiel, was sehr selten ist, bedenkenlos
sowohl demjenigen empfehlen, der das Buch noch nicht kennt, als auch dem, der es schon
gelesen hat. Den, der es schon gelesen hat, erwartet hier ein akustisches Wiedersehen mit
Kostas Charitos, ideal umgesetzt. Der Neueinsteiger, der das Hörspiel als Ersatz für das
Buch hören möchte, kann etwas von der legendären Atmosphäre atmen, von der alle
sprechen, die Charitos schon kennen. Ich persönlich möchte beides nicht missen und bin
in diesem Fall heilfroh, dass ich das Buch gelesen habe und dann das Hörspiel gehört
habe. Doppeltes Vergnügen und ein spannendes Erlebnis, beides für sich allein, aber auch
im Vergleich. (Petra)