Zwei Fremde im Zug - das sind Guy Haines und
Charles Bruno Anthony. Sie sitzen einander während einer langen Zugfahrt gegenüber und
kommen ins Gespräch, wie Millionen andere wohl zur gleichen Zeit. Sie unterhalten sich
über die kleinen Sorgen; Bruno über seinen Vater, den er hasst, Guy über seine Ex-Frau
Miriam, die einen anderen hat. Dennoch unterscheidet sich dieses Gespräch von den
anderen, die wohl zur gleichen Zeit ebenso unverbindlich geführt werden. Denn Bruno hat
einen Einfall, eine fixe Idee. Er schlägt Guy vor: "Sie bringen meinen Alten um und
ich töte ihre Ex-Frau" - der perfekte Mord: Kein Motiv, denn der einzige
Verdächtige hat ein hieb- und stichfestes Alibi. Und niemand wird Guy und Bruno in
Zusammenhang bringen, da sie einander nicht kennen können...
Meine Meinung:
Dieses Buch spricht zu einem wie das eigene Gewissen! Guys
Gedanken werden förmlich zu den eigenen - seine Seelenqual und seine Versuche sich vor
sich selbst zu rechtfertigen. Auch Brunos wahnwitzige Gedanken kommen einem erstaunlich
nahe. Patricia Highsmith sucht den Schrecken in alltäglichen Situationen, die durch unser
Denken und Tun geprägt sind. Und sie verhandelt um Schuld und Unschuld. Reicht es, sich
selbst schuldig zu fühlen? Und zählt man zu den Menschen die man schnappt und die
bestraft werden oder zu den Leuten, die zu schlau sind und entkommen. Nur was ist besser?
Denn wenn man zu schlau ist um erwischt zu werden, ist man auch zu klug um seinem Gewissen
zu entkommen und straft sich lebenslänglich selbst. Wer solche Gedankenspiele mag, darf
sich dieses Buch nicht entgehen lassen. Man hat so viel Teil an Guys Gewissen, dass man
die Schuld, die Angst und die Verzweiflung selbst verspürt. Und dies auf eine völlig
subtile Art. Eine Reise in die Psyche ohne Gleichen.
Einen besonderen Teil möchte ich jedoch noch dem Sprecher Hans
Eckardt widmen. Es ist nicht nur dass die Stimme wahnsinnig charismatisch und sympathisch
ist. Das auch - aber ganz beeindruckt war ich davon, wie er sie einsetzt: Leise und
dezent! Ohne Schwierigkeiten hört man heraus, wer spricht. Der am Rande des Wahnsinns
wandelnde Bruno oder Guy, der sich mit Selbstvorwürfen innerlich zerreißt oder gar die
liebe Ann, Guys Verlobte. Jeder Figur gibt er Charakter, ohne zu übertreiben. Hier merkt
man die geschulte Stimme! Gänzlich überrascht war ich an einer Stelle als
"Gerald" sprach und ich dachte "der Satz hört sich an wie von einem
typischen Film- oder Hörspieldetektiv". Den Gedanken noch nicht ganz beendet,
schiebt Eckardt Brunos Gedanken "er redete wie ein Hörspieldetektiv" nach. Wie
jemand so etwas schafft OHNE seine Stimme auffällig zu verändern, ist mir bis heute
schleierhaft. Es passiert völlig dezent und so unaufdringlich. Mein Kompliment!
Auch der Verlag verdient eine besondere Erwähnung! War bisher ein
Hörbuch für mich lediglich eine MC- oder CD-Hülle mit Cover, so ist es seit ich diesen
Verlag (einer der ersten seiner Art!) für mich entdeckt habe mehr: Die Cassetten sind in
einer stabilen Box, die beinahe wie ein Buch aussieht, versehen mit dem Cover. So stelle
ich mir diese gern ins Regal und nicht in den Schrank. (Petra)
Anmerkung: Alfred Hitchcock drehte einen Film
nach dieser Vorlage. Das Drehbuch schrieb niemand geringerer als Raymond Chandler!