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Rezension

Cover Meines Vaters Land
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Bewertung:
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:

Wibke Bruhns geborene Klamroth, bereitet 1979 ihren Umzug nach Israel vor. Am Tage nach der Vorbereitungsreise fällt ihr die Videoaufzeichnung der Dokumentation über die Attentäter des 20. Juli 1944 in die Hände. 

Eine Szene weckt ihre Aufmerksamkeit. Es ist ihr Vater, der da vor dem Volksgerichtshof steht. Kerzengerade, mit Haltung, in einem zu großen Anzug, während der Vorsitzende Freisler tobt und wettert. Ihr Vater steht als Mitwisser vor Gericht. Aber wer ist das, ihr Vater? Sie hat ihn nicht wirklich gekannt, sie hat keine Erinnerung daran, wie er wirklich war, wie er sprach oder auf die fünfjährige Wibke wirkte. Sie wird versuchen ihn kennen zu lernen,. Das ist die Aufgabe, der sie sich stellt.  

Das Video ist der Auslöser für jahrelanges Forschen in Tagebüchern, Briefen, Fotoalben, Haushaltsbüchern, für Gespräche mit Zeitzeugen, für das Durchwühlen von Filmarchiven und mehr. Auf der Suche nach dem Vater erkennt sie manches schmerzvoll, manches amüsiert, sie wird zur Chronistin einer Zeitepoche, die viele Menschen gerne verdrängen. Die ersten 45 Jahre des Jahrhunderts aus dem Blickwinkel des HG Klamroth, so könnte man das Werk auch taufen, das 25 Jahre später unter dem Titel 'Meines Vaters Land' auf dem (Hör)Buchmarkt erscheint.

Meine Meinung:

Wer könnte eine Chronik der eigenen Familie besser darstellen als ein Familienmitglied? Wer es besser lesen, als eine geschulte (Nachrichten)Sprecherin? Eine gelungene Autorenlesung ist es, der wir hier lauschen dürfen.  

Gelungen, weil Geschichte und Darbietung stimmen. Dabei hat Frau Bruhns neben immensem Fleiß auch Glück, denn wer kann schon auf ein Familienarchiv zurückblicken, das so gefüllt ist, wie das der Ihren, wer hat schreibwütige Eltern, erhaltene Haushaltsbücher, Tagebücher von diversen Familienmitgliedern, 16 mm Filme usw. Oftmals lauschen wir einer reinen Aufzählung von Fakten, die Details und der Blickwinkel sind entscheidend dafür, dass man sich an keiner Stelle langweilt.  

Sie beginnt mit dem ersten Weltkrieg. Nach dem Notabitur ist es Vater HG gelungen noch an ihm teilzunehmen. Dabei erschießt er einen anderen Soldaten, dieses Erlebnis verfolgt ihn sein ganzes kurzes Leben lang. Eine anfangs glückliche Ehe, Kinder, Verhältnisse, Lügen, das Familiengeschäft, Familienfeiern, politisches Zeitgeschehen und die Entwicklungen bis hin zum Ende am 20. Juli werden greifbar und lebendig geschildert, ein Sog entsteht. Vor allem aber drängen sich Aha-Erlebnisse auf: So war das also, diese Stimmung war also im Land, jene Stimmung hat den Aufstieg Hitlers begünstigt. So dachte diese Familie über die Entwicklungen, das hat ‚man’ gewusst und das nicht. Die politische Lage zwischen den Kriegen wurde mir noch nie so klar, wie hier. Warum kann Geschichtsunterricht trotz der vielen Medien, die heute zur Verfügung stehen, nicht so anschaulich sein?  

Noch eindrücklicher werden die persönlichen und familiären Verhältnisse geschildert. Vierecksbeziehungen, so etwas gab es auch im prüden Deutschland? So viele Facetten werden klar, und das Bild der Familie Klamroth und speziell das von HG wird mehr und mehr komplettiert. Ein Mensch wird wieder erschaffen, so wie es sich W. Bruhns vorgenommen hatte.  

An einigen Stellen kann Frau Bruhns nicht umhin Zwischenbemerkungen einzuwerfen. Eigene Gefühle, wie Unverständnis oder Wut werden deutlich, und sind meinen Empfindungen nicht unähnlich. Sie möchte die Augen manchmal verschließen, hat sich jedoch dem Chronistendasein verschworen. So beschönigt sie nicht, sondern sie schreibt auf, nennt die Dinge beim Namen und das oft erfreulich deutlich in einer lakonischen Sprache. Sie zeichnet ein aussagekräftiges Bild der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jahrhunderts. Da wo Wesen, wie ich, die den Krieg nur als Geschichte kennen schnell mit Pauschalurteilen bei der Hand sind, werden nicht Entschuldigungen geliefert, sondern mögliche Beweggründe und Gedankenanstöße. So schnell lassen einen diese Ideen auch nicht wieder ruhen.    

Auch ihr Resumée imponiert mir. Verraten will ich es nicht, denn es sind nicht allein die Worte, die es ausmachen. Erst mit dem Wissen um den Entwicklungsprozess von HG, den wir mit Wibke Bruhns erleben, macht es richtig Sinn.  

Soviel zur Geschichte des Buches. Aber auch die Darbietung stimmt. Die leicht spröde, oder besser schnörkellose, Sprache und Ausdrucksweise bestach mich sofort. Anfänglich ertappte ich mich dabei, dass meine Gedanken abschweiften. Dabei lauschte ich den Erklärungen, wie und warum das Buch entstand und noch war die Geschichte nicht greifbar.  

Als jedoch HG, der junge Mann, die Szene betrat, war kein Abschweifen mehr möglich. Der Sog stellte sich ein und jede Unterbrechung wurde ärgerlich hingenommen, war allerdings zum Wirken lassen der Geschichte von Vorteil. Ab der zweiten CD war der Vortrag von W. Bruhns einfach, zielgerichtet und beeindruckend.  

Ein glaubwürdiges, ungeschöntes Portrait einer Familie am Anfang des 20. Jahrhunderts, eindringlich und trotz des Ernstes unterhaltsam. (Binchen, Januar 2005)

Anmerkungen:

1. Dieses Hörbuch ist zu 100% auf Stereo-Anlagen abspielbar. Mit weniger als 100% Wahrscheinlichkeit in Autoradios oder Portablen CD-Playern. (Mini-Bemerkung des Verlages auf der Hülle zum Kopierschutz).

2. Die Angabe: Szenische Lesung mit Originalhördokumenten, beim Verlag ist irreführend. Frau Bruhns liest den Text - PUNKT. Wer Tondokumente aus dem Zweiten Weltkrieg o.ä. erwartet, wird sie nicht finden.

ein Link zur Geschichte der Familie und Firma Klamroth aus Halberstadt (Bildern von HG sind auch dort)

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© 2002 Hoerbuecher4um, erstellt am 29.01.2005, letzte Änderung am 05.04.2005, Layout by abrakan