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Rezension

Cover: Ein gewöhnlicher Mensch
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Bewertung:
(* schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Inhalt:  

Ruanda 1994: Während des Völkermords in Ruanda, bei dem 800.000 Menschenleben in nur 100 Tagen ausgelöscht wurden, gewährt Paul Rusesabagina 1268 Menschen Unterschlupf im Luxushotel Mille Collines in Kigali, dessen Hotelmanager er zu dem Zeitpunkt ist, und rettet ihnen das Leben. Keiner der 1268 auf den Listen der Mörder stehenden Flüchtlinge wurde getötet. 70 Tage lang ist das Hotel umstellt vom blutdürstenden Mob.

Durch Diplomatie, Schmeichelei, Täuschung und unglaublicher Geistesgegenwart gelingt es Paul Rusesabagina, um Leben und Tod zu verhandeln...

Meine Meinung:

Eigentlich müsste der Titel lauten „Ein außergewöhnlicher Held“, anstatt „Ein gewöhnlicher Mensch“. Und doch stimmt es. Paul Rusesabagina ist ein ganz gewöhnlicher Mensch. Gerade das macht seine Taten noch eindrucksvoller.

Schon das Vorwort ist eindringlich. Eine einfache Rechnung führt die Ausmaße dieses Völkermords vor Augen. Und eine kleine anonyme Szene, die stellvertretend für eine unglaubliche Vielzahl an persönlichen Schicksalen steht, zeigt, was den Menschen angetan wurde. Die Vorstellung, die Paul Rusesabagina in einem schlichten Satz heraufbeschwört, ist so furchtbar, dass man die ausgelösten Gedanken sofort abbricht. Doch Paul Rusesabagina möchte sich nicht im Elend dieses Massenmordes suhlen und entführt uns zunächst in seine Kindheit und Jugend. Er versetzt uns in die Lage, nachzuvollziehen, wie er in die Position kam – als Hoteldirektor – so vielen Menschen das Leben zu retten. Aber auch hilft er verstehen, wo die Ursprünge des Rassenhasses liegen, der über Jahrzehnte zwischen den Hutus und den Tutsis geschürt wurde und der sich im Jahr 1994 so gewaltsam entlud.

Hochinteressante Details werden vermittelt. So erfährt der Hörer, wie man Bananenbier herstellt und für was dieses Getränk in Ruanda steht. Und wieso dies später indirekt von Bedeutung war, während der Verhandlungen auf Leben und Tod. Psychologisch sehr fein beobachtet, wie viele andere bemerkenswerte Details aus dem ruandischen Leben, mit denen Paul Rusesabagina die eigenen Traditionen und allgemeingültige zwischenmenschliche Gesetzmäßigkeiten verbindet, die vieles von dem was geschehen ist, besser verstehen lassen. Ein sehr kluger Mensch kommt hier zu Wort.

Das Wort nimmt Paul Rusesabagina überhaupt sehr wichtig. Es ist seine einzige Waffe im Kampf gegen die mordlüsternen Truppen und es ist beinahe haarsträubend, wie unglaublich viel er mit dieser scheinbar so stumpfen Waffe gegen die messerscharfen Macheten bewirkt.

Wie geschickt er mit Worten umgehen kann, bleibt dem Leser (hier Hörer) nicht lange verborgen. Er erzählt seine Geschichte auf wunderschöne Weise. Beseelt und ausdrucksstark – unterlegt mit ruandischen beeindruckenden Weisheiten. Dass dies aber keine leeren Phrasen sind, sondern jeder Satz eine aufrichtige Bedeutung hat und nicht nur geschrieben sondern gelebt wurde, wird im Verlauf der Geschichte immer klarer.

Auch wenn hier nicht verschwiegen wird, dass die Welt im April 1994 anderes zu tun hatte, als den Blick nach Ruanda zu wenden oder gar einzuschreiten, ist dies keine Anklage. Weder an die restliche Welt noch an die ruandische Bevölkerung. Paul Rusesabagina erhebt die Flüchtlinge nicht zu den rein guten Menschen und setzt die Verfolger nicht zu den rein Bösen herab. Er bietet einfach einen fassungslosen und doch bewundernswert lebensbejahenden Blick auf das Geschehen, der keinen verurteilt. Und ganz nebenbei kann er auch nicht verschweigen, welch seltene menschliche Größe er bewiesen hat, wo man jeden entschuldigen würde, der es nicht wagt. Auch wenn er es in liebenswerter Bescheidenheit versucht als das darzustellen, was einfach nur menschlich und nicht heldenhaft ist.

Der Sprecher verschmilzt vollkommen mit den Worten des Autors. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, Paul Rusesabagina selbst zu lauschen, was zeigt, wie perfekt Steffen Seibert die Vorlage umsetzt hat und wie wichtig ihm persönlich dieses Hörbuch war, wie er im Booklet selbst noch näher erklärt. Er steht Paul Rusesabaginas Worten sehr nah und verleiht seiner Geschichte einen ruhigen und sachlichen Tonfall. Nicht sentimental, nicht heroisch, nicht hasserfüllt, sondern zutiefst menschlich und engagiert. Einfach wie jemand, der tut, was er tun muss – als gäbe es keine andere Möglichkeit. Sicherlich eine gute Entscheidung Steffen Seibert sprechen zu lassen. Nicht nur in seiner Position als Moderator der heute-Sendung des ZDF ist er am Weltgeschehen interessiert, sondern besonders durch sein Engagement als Unicef-Botschafter, das ihn auch schon oft nach Afrika führte. Schön wäre, wenn dem Preisträger der goldenen Kamera 2002 (für seine Berichterstattung über den „11. September“) noch öfter Hörbuchproduktionen am Herzen liegen. Denn ihm zuzuhören war – auch vom Thema mal abgesehen – ein Genuss. Professionell ja, aber halt ein Naturtalent, dem man anmerkt, dass es ihm keine Mühe abverlangt.

Auch sehr dankbar war ich dafür, dass dieses Hörbuch als Zusatzmaterial eine DVD mit einem 22-minütigen Portrait in englischer Sprache (und deutschem Untertitel) von Paul Rusesabagina enthält. Diesem ganz und gar (außer)gewöhnlichen Menschen hierdurch noch etwas näher kommen zu können, hat mich sehr gefreut. Vielen Dank für diese tolle und wichtige Produktion!

Fazit: War ich zu Anfang noch skeptisch, was ich mit einer Geschichte zu tun habe, die schon über 10 Jahre her ist und sich in einem für mich so fernen Land zugetragen hat, so hat mir Paul Rusesabagina zwei Dinge gezeigt: Wie wichtig die Vergangenheit ist, um eine bessere Zukunft zu gestalten und wie wenig der mögliche Gedanke zutrifft, dass Dinge, wie sie im fernen Ruanda passiert sind, uns hier nicht treffen könnten. Die primitiven Motive, die Paul Rusesabagina hier deutlich aufführt, die zu dem Rassenhass zwischen den Hutus und den Tutsis geführt haben, spiegeln wieder, was z. B. (leicht abgewandelt) zur Judenverfolgung im dritten Reich oder zu vielen anderen Völkermorden in den verschiedensten Teilen der Erde geführt hat. (Petra)

Anmerkung: Diese wahre Geschichte wurde unter dem Titel „Hotel Ruanda“ mit Don Cheadle und Nick Nolte in den Hauptrollen verfilmt und mit drei Oscar-Nominierungen gewürdigt.

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© 2002 Hoerbuecher4um, erstellt am 15.06.2006, letzte Änderung am 16.06.2006, Layout by abrakan